Internationale Jugendbegegnung des Bundestages

 

Drei Oberstufenschüler des Marianums nach Berlin eingeladen

Von Lena Scheper, Julia Pöker und Christoph Gurries, 09.02.2012

Berlin – Stadt der Täter, Stadt der Opfer

Vom 22.01. bis zum 27.01.2012 hatten wir die Chance, Berlin von einer anderen Seite kennenzulernen. In diesen Tagen stand die Geschichte Berlins zur Zeit des Nationalsozialismus im Vordergrund. Im Rahmen dessen besuchten wir mehrere historische Orte, wie z.B. das KZ Sachsenhausen, das Jüdische Museum und das Gelände der „Topographie des Terrors“ in Berlin.

Alle 80 Jugendliche, die nicht nur aus Deutschland, sondern beispielsweise auch aus Israel, den USA und Frankreich stammten, wurden in sieben verschiedene Arbeitsgruppen aufgeteilt. Wir hatten das Glück, in einer Gruppe zusammenarbeiten zu können und beschäftigten uns mit neun weiteren Teilnehmern, unter der Leitung von Wolfgang Kaiser, mit dem Thema Euthanasie, wobei wir uns speziell auf die Kindereuthanasie konzentrierten.

Innerhalb dieser Thematik wurden wir mit vielen bewegenden Einzelschicksalen und erschreckenden Bildern konfrontiert, die uns teilweise sehr nachdenklich stimmten.

Auch das Zeitzeugengespräch mit Adam König, ein Überlebender des KZ Sachsenhausen, verdeutlichte noch einmal die für uns heute unvorstellbare Grausamkeit, mit der die Nationalsozialisten gegenüber ihren Opfern vorgingen. Besonders ist uns sein Verhältnis zu seinem Glauben in Erinnerung geblieben – als gläubiger Jude kam er ins KZ, doch die Erlebnisse prägten ihn so stark, dass er seinen Glauben verlor. Bis heute konnte er nicht zu seinem Glauben zurückfinden.

Den Höhepunkt der Veranstaltung bildete die Teilnahme aller Jugendlichen an der offiziellen Gedenkstunde des Deutschen Bundestages zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus mit Reden von Prof. Dr. Norbert Lammert und dem Gastredner Prof. Dr. Marcel Reich-Ranicki, der aber nicht als Literaturkritiker, sondern als Zeitzeuge auftrat.

Norbert Lammert stellte in seiner rhetorisch starken Rede die aktuelle Situation bezüglich des Rechtsextremismus in Deutschland dar, in der er auch Kritik an der deutschen Bundesregierung äußerte. Seiner Meinung nach seien ca. 20% der Deutschen antisemitisch eingestellt und dies seien genau 20% zu viel.

Marcel Reich-Ranicki, der sich trotz seines angeschlagenen Gesundheitszustandes hinter das Rednerpult setzte, beschrieb seine Deportation aus dem Warschauer Ghetto nach Auschwitz. Seine Rede beendete er mit dem eindrucksvollen Satz: „Sie (die Deportation) hatte nur ein Ziel, nur einen Zweck – den Tod.“ An der anschließenden Diskussion mit Herrn Lammert konnte Herr Reich-Ranicki aus gesundheitlichen Gründen leider nicht teilnehmen. Spontan sprang jedoch Frau Charlotte Knobloch, ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland und u.a. aktuelle Vizepräsidentin des jüdischen Weltkongresses, für diesen ein. Sie berichtete uns v.a. von der aktuellen Situation der jüdischen Bevölkerung in Deutschland und dem heutigen Verhältnis zu Israel. Lammert appellierte an unseren Teilnehmerkreis, den Mut zu haben, gegen Rechtsextremismus einzuschreiten und die Erinnerung an die schrecklichen Nazi-Verbrechen aufrecht zu erhalten.

Insgesamt hat uns die Veranstaltung hinsichtlich unserer persönlichen Verantwortungsempfindlichkeit sehr geprägt. Es ist uns deutlich geworden, wie wichtig es ist, gegen das Vergessen anzukämpfen. „Es sind Menschen, die ein Beispiel geben und Mut machen.“ (Norbert Lammert) Vor allem die Tatsache, dass unsere Generation die letzte sein wird, die noch mit Zeitzeugen sprechen kann, hat uns sehr nachdenklich gestimmt. Umso wichtiger erscheint es uns jetzt, aktiv daran mitzuarbeiten, dass die Berichte der Zeitzeugen erhalten bleiben, damit niemals in Vergessenheit gerät, was vor 70 Jahren in Deutschland passiert ist.

Wir danken der Organisation Pax Christi und speziell Frau Kreilos dafür, dass sie uns diese einmalige Chance ermöglicht haben, einen so tiefen Einblick sowohl in das nationalsozialistische Berlin als auch in die Erinnerungskultur zu gewinnen.